Hansen erzählt die buchstäblich unglaubliche Reise von Björn Bosison, der es vom ungeliebten Sohn eines Bauern bis zum Berater und Geschichtenerzähler zweier Dänenkönige bringt. Eingebettet ist diese Odyssee in eine liebevolle Schilderung der Herausforderungen im Leben eines Wikingers – seien plündernde Seeräuber der Ursprung, grünäugige Hexen, Rattenplagen, eitle Könige oder keifende Frauen.
Hansen bedient sich mitunter antiquiriert anmutender Worte und Redewendungen, die sich, hat man sich einmal an sie gewöhnt, vortrefflich in das mittelalterliche Gesamtbild einfügen. Die Verwendung indirekter Rede, beispielsweise um die atemlose, umständliche, katzbuckelnde Überbringung von Neuigkeiten eines windigen Händlers an seinen König abzuhandeln, passt gleichermaßen zum handlungsfokussierten Erzählstil wie es auch dazu beiträgt, den Figuren ungewöhnlich scharfe Konturen zu verleihen.
Die Figuren sind in ihrer prägenden Charakteristik fast schon comichaft überzeichnet. Dennoch verliert sich Hansen nicht in zu vielen Einzelheiten, sodass viel Bildhaftes der Fantasie des Lesers überlassen bleibt.
Die detailreichen Schilderungen spart er sich indessen für die Beschreibung der nordischen Küsten, ihrer Flora und Fauna und unterschiedlichen Bewohner und dem Wetter samt seiner betörenden wie bedrohlichen Schönheit auf. Es sind Momente der Ruhe in einem ansonsten geradlinig und ohne künstliche Pausen erzählten Abenteuer, das mit einer reichhaltigen Mischung aus Historischem, Mystischem und Fantastischem aufwartet und überrascht.
Bemerkenswert an dieser Stelle ist auch, mit welcher erzählerischen Leichtigkeit, fast schon Unbekümmertheit, Hansen über grausamste Verbrechen hinweggeht. Sie sind anschaulich genug, um Bilder entstehen zu lassen, dabei aber auch frei von jeglicher moralischer Wertung, sodass ihr Geschehen einfach als gegeben hingenommen wird und jede weitere Deutung dem Leser überlassen bleibt. Dies formuliere ich als Ausdruck einer befreienden Erzählweise, da sie die Geschichte vom Anspruch, dem Leser eine Moralvorstellung vermitteln zu wollen, entbindet.
Kurz kam ich auf den Gedanken, die realen Hintergründe von Harald Blauzahn, Sven Gabelbart, Björn Bosison und Vigdis der Meergöttin zu recherchieren, doch kam ich schnell wieder davon ab, als ich erkannte, dass mir ein solches Wissen in jeglicher Form den Nachgeschmack einer gut erzählten Geschichte verbittert hätte.
Eigentlich hatte ich das Buch bereits nach 30 Seiten wieder weglegen wollen, da Erzählstil und einige grammatikalischen Auffälligkeiten bei der Verwendung von Zeitformen meinen Lesefluss hemmten. Wenige Seiten später fiel es mir indessen schwer, mich überhaupt noch von dem Buch zu trennen.
Auf der Suche nach einem Buch, das mich in eine andere Welt entführt, sprachlich wie inhaltlich anzusprechen und mitzureißen vermag und dabei den alleinigen Anspruch hat, eine gute Geschichte zu erzählen, bin ich bei Hansens “Die Männer vom Meer” fündig geworden. Solche Bücher gibt es vermeintlich in unüberschaubarer Anzahl – allein sie zu finden, ist gar nicht so einfach.
Diese Rezension entstand wenige Augenblicke, nachdem ich das Buch (ich las die letzten 300 Seiten am Stück) zu Ende gelesen hatte.